Allein mit Adam und Eva
Capri viel besungen, täglich von Tausenden besucht. Und doch: Wer Stille sucht, kann hier glücklich werden
Der Tagesspiegel (Germany) - 08/06/2003
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VON HELLA KAISER
Arm wäre die Welt ohne Dichter und Schriftsteller. Aber, eben auf Capri angekommen, wünscht man sie plötzlich zum Teufel. Denn Rilke, Moravia, Dickens, Neruda und all die anderen sind doch schuld daran, dass die kleine Felseninsel im Golf von Neapel so viel Zulauf bekommt. In alle Welt hatten die Wortgewaltigen ihre Schwärmereien posaunt und dabei betörende Vergleiche gefunden wie etwa Turgenjew, für den Capri "ein Tempel der Göttin Natur war. Natürlich wollte danach jeder hin, um's nachzuprüfen.
Alle zehn bis zwanzig Minuten legen die Fähren an, aus Neapel, aus Ischia, Amalfi, Positano und Sorrent. Dreitausend Touristen überfallen Tag für Tag aufs Neue ein zehn Quadratkilometer kleines Eiland. Morgens hin, nachmittags zurück. An der Marina Grande, dem Hafen Capris, schaut Lorena, eine Einheimische, zu, wie sie in wartende Busse gestopft werden. Missbilligend seufzt sie: "Das ist der Massentourismus." Und tröstet sich damit, dass es ja immerhin sehr kleine Busse sind, weil die "normalen" viel zu breit wären für die schmale Straße hinauf nach Capri Stadt. Und erst recht stecken bleiben würden in den Serpentinenkehren Richtung Anacapri, dem zweiten Ort der Insel.
Nach Anacapri müssen die Tagesgäste unbedingt gekarrt werden. Denn da ist ein Traumhaus zu besichtigen: die Villa San Michele. Der schwedische Arzt Axel Munthe hatte hier 1896 auf den Ruinen einer alten Kapelle sein einzigartiges Anwesen bauen lassen, ohne Architekten, nur nach Augenmaß. Die Seele brauche mehr Platz als der Körper, fand Munthe, und so flutet das Licht nun durch Veranden, bestrahlt Säulen und antike Statuen und zaubert bizarre Schattenspiele im prunkenden Garten. Die Touristen drängeln sich, um einer ehrwürdigen Sphinx, die auf der Brüstung liegt und nach Sorrent hinüberschaut, den P0 zu tätscheln.
Ist das romantisch? Lorena schimpft. Natürlich dürfen Sie nicht um elf Uhr vormittags hingehen, dann sind ja alle da." Um ein Uhr sei es ganz ruhig dort, "denn dann sitzen die Touristen beim Essen". Oder nach 16 Uhr, "dann sind sie schon wieder unten am Hafen". "Nicht schimpfen, Lorena", beschwichtige ich und sage stolz: "Um zwölf Uhr mittags war ich im Paradies ganz allein."
Es waren nur ein paar Fußminuten von Munthes Villa zur Kirche San Michele, wo der Garten Eden im gekachelten Boden verewigt ist. Adam und Eva sind da, Engel und Eulen, Tiger und Pferde und natürlich die Schlange, die sich Unheil verkündend um einen Apfelbaum windet. ',Warum kommt niemand hierher?" Die junge Wärterin lächelt. "Die meisten Touristen kehren am Eingang um, wenn sie hören, dass es zwei Euro Eintritt kostet."
Wer zum Monte Solaro hinauf will und sparen möchte, muss Wanderschuhe im Gepäck haben. Denn mit Sandalen sind die steinigsteilen Pfade hinauf zum 589 Meter hohen Berg nicht zu bewältigen. Da spendiert man sich lieber die 5,50 Euro für den Sessellift, in dem jeder Gast einzeln nach oben schwebt. 1952 wurde die Anlage gebaut und zum Glück haben sie das gemütliche Tempo von damals keinen Deut beschleunigt. Oben: gucken und schwelgen und darüber staunen, dass der Cappuccino mit Panoramablick günstiger ist als unten an der Marina.
An der Piazza A. Diaz von Anacapri ist der dörfliche Feierabend angebrochen. Männer sitzen auf Bänken, Frauen schaukeln Kinderwagen, der Nachwuchs radelt und rollert vor allem aber: jeder spricht mit jedem, es wird geplaudert, diskutiert, philosophiert und viel gelacht. Auf dieser Piazza könnte man im Handumdrehen Italienisch lernen. Anacapri ist gemütlich und nicht im mindesten so schick wie der nur vier Kilometer entfernte Hauptort Capri. Es ist noch gar nicht solange her, da gab es am Rande von Anacapri ein großes, gut verschlossenes Tor, damit die Gente malamente, die bösartigen Menschen von Capri, nicht herein konnten.
Und noch immer glauben sie in Anacapri, dass ihr Schutzpatron Sant' Antonio mehr Wunder tut als der Heilige Constanzo von Capri. Nie fahren die einen zu den anderen, wenn ein Mal im Jahr das Fest des jeweiligen Schutzheiligen gefeiert wird.
Zur Abendstunde hat sich Capris Schmuckstück, die Piazzetta Umberto I. der drängelnden Touristengruppen entledigt sie gehört jetzt den Einheimischen und den Hotelgästen. Italiener vom Festland vor allem sind es, die sich hier einmieten, und nun auf der Terrasse des Gran Caffé oder der Bar Tiberio posieren. Fare bella figura, das ist hier ganz leicht, und man muss die passende Garderobe nicht einmal mitbringen. Sind ja alle wichtigen Labels da in der Via Camerelle oder der Via Botteghe: Hermès und Gucci, Gianfranco Ferre, Loro Piana, Dolce&Gabbana und ihresgleichen. Selbst das legendäre Café "Zum Kater Hiddigeigei" in der Via Emanuele, der Treffpunkt der deutschen Kolonie zur Jahrhundertwende, musste weichen. Modezar Salvatore Ferragamo brauchte Platz.
Capri ist stolz auf die feinen Boutiquen, doch kann man die ausgeklügelten Kreationen kaum würdigen, hier, wo die Augen so satt werden vor überbordender Blütenpracht in den großzügigen Gärten der Villen.
Anreise: Alitalia fliegt via Mailand für etwa 400 Euro täglich nach Neapel. In den Sommermonaten gibt es ab BerlinTegel sonnabends eine NonstopVerbindung mit Aero Lloyd für 189 Euro (begrenztes Kontingent). Die Fahrt mit dem Schnellboot vom Hafen dauert 35 Minuten und kostet rund zehn Euro.
Unterwegs auf Capri: An der Marina Grande kann man entweder per Bus oder Standseilbahn hinauf in die Stadt fahren. (jeweils: 1,30 Euro). Eine knapp zweistündige Inselrundfahrt mit dem Schiff kostet neun Euro. Wer die Blaue Grotte besuchen will, zahlt zusätzlich 8,20 Euro. Die schönsten Entdeckungen macht man aber zu Fuß. Hilfreich ist das am Ort käufliche Buch Capri 12 Wanderungen", in dem viele Sehenswürdigkeiten am Wege ausführlich beschrieben sind.
Ubemachtung: Die Hotels auf Capri (3500 Betten bietet die Insel) sind teuer. In der Luxusklasse beginnen die Preise für ein Doppelzimmer bei 250 Euro. Besser als das Leading Hotel "Quisisana" in Capri gefiel uns das Hotel Caesar Augustus am Ortseingang von Anacapri, das sogar vom Pool aus noch wunderbare Aussichten bietet. Informationen über die beiden Hotels im Internet unter www.quisi.com beziehungsweise unter www.caesar_augustus.com
Das Hotel La Palma (Vier Sterne) in der Via Vittorio Emanuele liegt wunderbar zentral, aber eine Nacht im Doppelzimmer schlägt mit 200 Euro zu Buche, obwohl das Hotel nicht einmal einen Pool hat. Im Internet: www.lapalmacapri.com
Wer nicht allzuviel Komfort braucht, kann sich zum Beispiel in der Pensione Belsito, Via Matermania 9 einmieten. Je nach Saison liegen die Preise für ein Doppelzimmer mit Frühstück zwischen 36 und 83 Euro. Telefonnummer: 0039/081/8370969, Faxnummer: 0039 / 081 /8376622. Etwas höher sind die Preise in dem ZweiSterneHaus Villa Krupp in der Viale Matteotti 12, wo auch Maxim Gorki mal gewohnt hatte. Familiäre Atmosphäre, grandiose Lage. Telefonnummer: 0039/081 /8370362, Fax: 0039/081/8376489.
Pauschalarrangements: Zahreiche Anbieter haben Capri im Programm und bisweilen kommt man da günstiger weg. TUI etwa bietet eine Woche mit Halbpension in der Pension La Reginella im Juni für 765 Euro (pro Person im Doppelzimmer), Flug von Berlin und sämtliche Transfers eingeschlossen.
Restaurants: Am günstigsten kommt man auf Capri mit Pizza weg. Sehr gut sind sie im Longano in der Via Longano 9, fast unmittelbar an der Piazzetta. Gut speist man im Ristorante Aurora, Via Fuorlovado 18. Zwei Personen zahlen hier für ein Hauptgericht nebst Vorspeise und einer Flasche Wein im Durchschnitt 75 Euro. Ein wenig abseits in einem schönen Garten mit Blick auf den Vesuv Sitzt und isst man vorzüglich im La Pergola, Via Traversa Lo Palazzo 2.
Literatur: Peter Peter: Golf von Neapel. Literarische Entdeckungen. KlettCotta, 233 Seiten, 19 Euro;
Axel Munthe: Die Villa S. Michele, dtv, 9,90 Euro. Auskunft: Uffici informazioni, 11, Piazzetta I. Cerio, 80073 Capri. Telefon: 0039/081/8370424, EMailAdresse: touristoffice@capri.it, im Internet: www.capritourism.com
Broschüren über Capri und ganz Italien können unter der Telefonnummer 008 00 / 0048 25 42 kostenfrei bestellt werden.